Juni 2018

Moin, Moin, SeeSchi!

Hafenstaatskontrolle in Hamburg. Vor dem An-Bord-Gehen begutachten die Besichtiger den äußeren Zustand des Schiffes. Copyright: Kirk Williams. Mit freundlicher Genehmigung der BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit, www.deutsche-flagge.de

Foto Container — Mit freundlicher Genehmigung der BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit; Foto: Franco Simon

Foto Schiffsbugwelle — Mit freundlicher Genehmigung der BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit; Foto: Franco Simon

Foto Wasserdruckschloss — Mit freundlicher Genehmigung der BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit; Foto: Franco Simon

 

SIGUV-Partner entwickelt mit Software-Werkzeugen von HDP spannende Lösungen für die Seeschifffahrt

Es ist immer wieder spannend, in welchen vielfältigen Szenarien HDP-Softwarewerkzeuge von unseren Kunden und SIGUV-Partnern in der gelebten Praxis eingesetzt werden. Hier ein interessantes Anwendungsbeispiel aus der Seeschifffahrt.

Sicherheit an erster Stelle

Das Credo, nach dem unsere Kunden – Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger – arbeiten, ist die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. So auch die Dienststelle Schifffahrt und das Referat Seeschifffahrt und Fischerei des Geschäftsbereichs Prävention der BG Verkehr. Vom Bundesministerium beauftragt und durch internationale Abkommen verpflichtet, kümmert sich die Geschäftsstelle um alle Sicherheitsbelange der Seeschifffahrt, d.h. um die Überwachung der Sicherheit an Bord und den Umweltschutz auf den Meeren.

Datenlage stets im Überblick

Eine solche verantwortungsvolle Aufgabe im herausfordernden Betriebsumfeld der Schiffssicherheit zu stemmen, erfordert eine komplexe Software, die allen fachspezifischen Anforderungen gerecht wird. Diese Herausforderungen wurden im Projekt „SeeSchi“ der BG Verkehr erfolgreich gemeistert.

Unter Einbeziehung von versierten Experten aus den Fachabteilungen erstellte das engagierte IT-Projektteam der BG Verkehr mit der Teamleiterin Frau Lehmann in Eigenentwicklung die Anwendungssoftware „SeeSchi“ (Abkürzung für Seeschiffsverzeichnis). Eigens für die Flaggenstaatskontrolle (www.deutsche-flagge.de) geschrieben, erfasst und dokumentiert „SeeSchi“ alle sicherheitsrelevanten Daten und Abläufe von deutschen Seeschiffen und hilft so, die Komplexität der Datenlage übersichtlich zu strukturieren.

Vorteile durch Geneva Framework

Das Tolle während der Softwareentwicklung von „SeeSchi“ war, dass sich die BG Verkehr durch Nutzung der Werkzeuge von HDP (Geneva Framework) vollkommen auf die fachliche Komplexität der Aufgabe konzentrieren konnte. Um alle technischen Herausforderungen kümmerte sich das HDP-Werkzeug. Zudem kann durch die Verwendung des Geneva Frameworks die erstellte Anwendung „SeeSchi“ ohne Änderungen sowohl an den Arbeitsplätzen im Büro als auch auf den Schiffen als mobile Web-Anwendung genutzt werden. Für die Softwareentwicklung entstanden hier keine Zusatzaufwände.

„Durch die Verwendung des Geneva Programmier-Frameworks war es für meine Kolleginnen und Kollegen des C5-Entwicklerteams relativ einfach, sich schnell im Projekt zurechtzufinden und in die eigentliche Programmierung einzusteigen. Einen weiteren Vorteil des Geneva Frameworks konnten wir während der Einführung der neuen Anwendung feststellen. Durch das einheitliche Look & Feel aller C5-Anwendungen war die Akzeptanz bei den Kollegen und Kolleginnen, die bereits mit anderen C5-Anwendungen arbeiteten, deutlich höher“, so Frau Lehmann, Teamleiterin im IT-Projekt „SeeSchi“.

Frau Clara von Bargen aus dem SeeSchi-Entwicklerteam der BG Verkehr mit Kapitän Franco Simon. Mit freundlicher Genehmigung der BG Verkehr, Dienststelle Schiffssicherheit

Interview mit Herrn Franco Simon, Flaggenstaatbesichtiger bei der BG Verkehr

Was es bedeutet, die Sicherheit an Bord mit der vielschichtigen Anwendung „SeeSchi“ zu prüfen, veranschaulicht uns im Folgenden jemand, der sich bestens mit der Seeschifffahrt auskennt: Herr Franco Simon, als Kapitän jahrelang zur See gefahren und jetzt als Flaggenstaatbesichtiger bei der BG Verkehr an Bord vieler Schiffe unterwegs, war so freundlich, für ein Interview mit der HDP-Redaktion zur Verfügung zu stehen.

Herr Simon, beschreiben Sie doch bitte Ihre Tätigkeit bei der Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr.
Ich bin dort als Flaggenstaat- und Hafenstaatinspektor tätig. Genauer heißt das, dass ich sowohl bei Schiffen unter deutscher Flagge (Flaggenstaatinspektion) als auch bei ausländischen Schiffen in deutschen Häfen (Hafenstaatinspektion) an Bord gehe und diese auf die Einhaltung der bestehenden Sicherheitsvorschriften überprüfe.

Wie ist Ihre Dienststelle Schiffssicherheit bei der BG Verkehr aufgestellt?
Auch wenn wir - aus historischen Gründen - zur Berufsgenossenschaft gehören, ist unsere Dienststelle eigentlich eine obere Bundesbehörde. Die Mitarbeiter der Dienststelle Schiffssicherheit überwachen im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die Einhaltung internationaler Übereinkommen für die Sicherheit an Bord und für den Umweltschutz auf den Weltmeeren. Als solche obere Bundesbehörde sind wir hoheitlich tätig und können entsprechend notwendige Maßnahmen anordnen, gegebenenfalls sogar ein Weiterfahrverbot aussprechen.

Als erfahrener Kapitän haben Sie die fachlichen Anforderungen für die Anwendung „SeeSchi“ maßgeblich zusammengestellt und an die IT-Experten der BG Verkehr weitergegeben. Was kann man sich unter der Anwendung „Seeschiffsverzeichnis“ (abgekürzt „SeeSchi“) vorstellen?
„SeeSchi“ soll alle sicherheitsrelevanten Daten zu einem Seeschiff zusammenführen und die verschiedenen, verwaltungstechnischen Abläufe strukturieren und dokumentieren. Wichtig zu erwähnen ist hier vielleicht noch die Unterscheidung zwischen Flaggenstaat und Hafenstaat. Die Anwendung „SeeSchi“ ist für die „Deutsche Flagge“ geschrieben. In ihr sind die Daten aller deutschen Seeschiffe hinterlegt und gepflegt.

Ähnlich wie ein Auto muss jedes Schiff zugelassen werden. Allerdings sind die erfassten Daten, Informationen und Zertifikate deutlich umfangreicher. Wie beim Auto auch müssen regelmäßige Kontrollen, die sogenannten „Besichtigungen“, in verschiedenen Abständen durchgeführt werden. Dazu hat ein Schiff eine größere Anzahl von Zeugnissen, die auch regelmäßig erneuert werden müssen. „SeeSchi“ hilft dabei, über all diese Daten, Besichtigungen und Zeugnisse den Überblick zu behalten.

Wie sieht so eine „klassische“ Schiffsbesichtigung aus; und werden Sie bei dieser umfangreichen Aufgabe begleitet?
Hier kann man keine einfache Antwort geben, da die Besichtigungen sehr stark variieren. Die zu besichtigenden Fahrzeuge beginnen bei einem vielleicht fünf Meter langem kleinen Boot mit Außenbordmotor, welches gewerblich zum Fischen genutzt wird, gehen über gewerblich genutzte Segelboote, Fischkutter, Helgoländer Börteboote, Fähren zu den ostfriesischen Inseln, Bagger oder Versorgungsschiffe bis hin zu den großen Ostseefähren oder weltweit fahrenden Containerriesen. Abhängig vom Schiffstyp ist auch der Aufwand einer Besichtigung und somit die Anzahl der Besichtiger. In der Regel sind wir zwei Personen – als ehemaliger Kapitän übernehme ich meistens den Bereich Deck, ein Ingenieur-Kollege den Bereich Maschine.

Was kontrollieren und wie dokumentieren Sie an Bord eines Schiffes?
Kurz gesagt, wir prüfen alle sicherheitsrelevanten Bereiche: von Papieren, Zeugnissen und Dokumenten über alle Anlagen an Bord, den schiffbaulichen Zustand, den Wartungsstand, die zulassungspflichtigen Ausrüstungen bis hin zu Tests der Fähigkeiten der Besatzung, zum Beispiel bei der Brandabwehr. Auch dies variiert natürlich sehr stark nach Schiffstyp und -größe. Sowohl bei der Hafenstaatkontrolle als auch bei der Flaggenstaatkontrolle – bei letzterer mit „SeeSchi“ – werden alle Daten, Auflagen und Mängel an Bord aufgenommen und, so eine Internetverbindung besteht, gleich in die jeweilige Datenbank eingepflegt. An Bord wird dann auch noch aus der Datenbank der Besichtigungsbericht ausgedruckt und dem Kapitän übergeben.

Herr Simon, könnten Sie zur Veranschaulichung Ihrer Tätigkeit ein typisches Besichtigungs-Szenario skizzieren? Gibt es den „Klassiker“ unter den Beanstandungen?
Ein wirklich typisches Szenario kann ich gar nicht bieten, da wirklich jedes Schiff unterschiedlich ist und man immer wieder überrascht wird, was man an Bord vorfindet – im Positiven wie im Negativen. Grundsätzlich ähnlich bei der Besichtigung ist, dass man meistens mit den Papieren, Zertifikaten und Zeugnissen anfängt und diese überprüft auf Gültigkeit, Vollständigkeit und ob sie (noch) mit der Realität übereinstimmen. Beispiel hier wäre eine kleine Fähre, auf der ich letztens war. Die ausgehängten Brandschutzpläne zeigten Rettungsinseln an Stellen, wo diese vor Jahren installiert waren, jetzt aber nicht mehr existierten, da das Schiff umgebaut worden war, diese Änderung aber nicht dokumentiert worden sind. Dies ist dann ein sogenannter „Mangel“.

Nach den Papieren geht man über Deck und schaut sich den Zustand des Schiffes und der Ausrüstung an. Hier könnte dann zum Beispiel auffallen, dass bei den Rettungsringen die Reflexionsfolien im Laufe der Jahre abgefallen sind oder der vorgeschriebene Aufdruck des Schiffsnamens nicht mehr lesbar ist.
Schwerere Mängel wären zum Beispiel fehlende Feuerlöschschläuche, defekte Navigationslichter oder falsche Befestigungen von Rettungsbooten und Rettungsinseln.

Die Palette, was man finden kann, ist sehr groß. Bei einigen Anlagen wird dann ein kurzer Funktionstest gemacht, zum Beispiel wird eine Feuerlöschpumpe gestartet und der Druck überprüft oder bei den Maschinen werden Alarme getestet. In diesem Zusammenhang kann dann auch gleich das Wissen der Besatzung beziehungsweise ihr Ausbildungsstand getestet werden: Weiß die Crew überhaupt, wo die Feuerlöschpumpe ist und wie sie gestartet werden kann?

Stellen Sie ein Sicherheitszeugnis aus, wenn es keine Beanstandungen während einer Begehung gab?
In der Regel wird ein Sicherheitszeugnis von der Dienststelle ausgestellt, wenn die Planprüfungen und die Besichtigung keine relevanten Mängel ergaben oder erkannte Mängel abgestellt wurden. In der Verwaltung werden dann aber auch noch zusätzliche Bedingungen geprüft, zum Beispiel ob alle Dokumentation vorhanden sind, alle notwenigen Besichtigungen erfolgten. Zuweilen wird aber auch ein neues Zeugnis vor Ort durch den Besichtiger erstellt.

Was, wenn doch etwas zu bemängeln ist? Welche Konsequenzen hat eine von Ihnen beobachtete und notierte Beanstandung? Heißt das im Worst-Case wirklich, dass das Seeschiff nicht auslaufen darf?
Richtig. Das Worst-Case-Szenario ist ein Auslaufverbot. In der Eskalationsleiter etwas darunter ist, dass das Zeugnis nicht verlängert oder erneuert wird und stattdessen eine Nachbesichtigung gefordert wird (kennt man auch von der Auto-HU, dass man zur Wiedervorstellung noch einmal zum TÜV muss). Noch eine Stufe darunter ist, dass die Abstellung der Mängel nur gemeldet und belegt werden muss, zum Beispiel durch Fotos.

Herr Simon, haben Sie vielen Dank für das interessante Interview und die Einblicke in Ihren spannenden, vielschichtigen und reiseintensiven Berufsalltag!

Das Interview wurde geführt mit Kapitän Franco Simon
BG Verkehr
Dienststelle Schiffssicherheit
Brandstwiete 1
20457 Hamburg
www.deutsche-flagge.de

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